Die Wahrnehmung der Zeit

Die Wahrnehmung der Zeit

Es ist nun Zeit, mal etwas über die Zeit zu sprechen. Zeit kann ja bekanntlich in erster Linie eines: vergehen. Unaufhaltsam und mit konstanter „Geschwindigkeit“. Zumindest auf unserer Erde. Jeder Tag hat 24 Stunden, wir werden alle gleich schnell älter. So weit, so objektiv. Subjektiv gesehen treten in der Wahrnehmung der Zeit aber massive Unterschiede auf.

„Wahnsinn wie die Zeit vergeht“ „Schon wieder ein Jahr verflogen“, wie oft hört man nicht diese oder ähnliche Floskeln. Viele haben das Gefühl, ihnen läuft die Zeit davon, sie hechten hinterher, machen immer schneller und schneller und holen sie doch nicht ein.

Mein Lieblingsbeispiel für die paradoxe Wahrnehmung der Zeit ist der Vergleich von Alltag und Urlaub.

Mit Alltag meine ich in diesem Beispiel einen repetitiven, gleichförmigen Alltag ohne hoch und tief, mit vielen Wartezeiten, eine emotionale Einöde. Hier entsteht oft das Gefühl im Moment, dass alles ewig lang dauert, es zieht sich, 5 Minuten fühlen sich an wie eine Stunde. Der Moment wird nicht angenommen, man wünscht sich an einen Punkt in der Zukunft. Wird dieser erreicht, lenkt man sich mit Medien ab und am nächsten Tag geht’s wieder von vorne los. Es fühlt sich die Zeit im Moment ewig lang an, jedoch wenn man ein paar Tage (oder Monate/Jahre?) zurück blickt, kann man es oft gar nicht glauben wie schnell die Zeit vergangen ist. Dies beobachte ich vor allem auch wenn die ganze Woche auf das Wochenende „gewartet“ wird.

Im Gegensatz hierzu steht in dem Beispiel der Urlaub. Oder besser gesagt Momente, die einem aus dem vorher skizzierten Alltag herausholen, denn der jährliche und immer gleiche all-inclusive Urlaub in Lignano ist in Wahrheit auch nicht mehr als der im Hawaii-Hemd verkleidete Alltag. Es geht um die vielen neuen Eindrücke, die auf Reisen entstehen können. Das Unterwegssein, viele neue Gesichter und Geschichten, fremde Orte, andere Kulturen, all das holt uns in den Moment und hat den genau gegenteiligen Effekt wie der „Alltagsmodus“. Nämlich der Moment fühlt sich wahnsinnig flüchtig an, die Zeit vergeht in Windeseile. Blickt man aber zurück, fühlen sich 3 Tage an wie eine ganze Woche, vollgespickt mit neuen Erinnerungen, Erlebnissen und Erfahrungen.

Auch das geistige Benennen oder  „Etikettieren“ spielt eine wesentliche Rolle. Zum Beispiel ein Kleinkind, welches die Macht des Wortes noch nicht für sich entdeckt hat und völlig wertungsfrei  mit natürlicher Neugier und Aufmerksamkeit alles was geschieht, beobachtet, wahrnimmt und mit purer „Seins-Freude“ den Moment genießt, nimmt die Zeit & das Leben vermutlich am intensivsten war. Im Gegensatz dazu steht ein erwachsener Mensch, der meint, schon alles gesehen zu haben und alle Eindrücke und Erlebnisse sofort gedanklich etikettiert, einordnet und in Schubladen steckt, sie aber nicht wirklich wahrnimmt. Möglicherweise ist es so, dass wir, je älter wir werden, je mehr Dinge, Situationen oder Eindrücke wir meinen schon zu kennen, wir Gefahr laufen, die Dinge automatisch einzuordnen und nicht bewusst zu erleben und daher das Gefühl immer wieder kommt, dass die Zeit immer schneller verfliegt und das Leben an uns vorbeigeht. Die Floskel „Je älter du wirst, umso schneller vergeht die Zeit“ hab ich schon oft von den unterschiedlichsten (meist älteren Menschen) vernommen, aber ob das auf das eigene Leben zutrifft, hat man möglicherweise selbst in der Hand.

Natürlich sind diese Beispiele etwas plakativ und sicher nicht allgemein immer zutreffend. Die Wahrheit liegt immer irgendwo in der Mitte. Der Kern ist doch das Leben gelebt werden soll. Und zum Leben gehört das Erleben unmittelbar dazu. Erleben heißt für mich, sich neuen Eindrücken auszusetzen, die Komfort-Zone zu verlassen und immer offen dafür zu sein, Neues unvoreingenommen auszuprobieren. Immer wenn wir etwas zum ersten Mal erleben, ist unsere Wahrnehmung geschärft und vielleicht reißt es uns auch aus eingerosteten Gedankenmustern. Ich denke, es ist wichtig, nie die Faszination für seine Umgebung zu verlieren.

Wann hast Du zuletzt etwas zum ersten Mal gemacht?

Bild von composita auf Pixabay

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